Berufsbedingtes Asthma auf Fledermäuse (Chiropteren)

R. Spiewak1,2, S.G.O. Johansson3, B. Wüthrich1

1Allergiestation, Dermatologische Klinik Zürich,
2Department of Aerobiology and Allergology, Institute of Agricultural Medicine, Lublin,
3Department of Clinical Immunology, Karolinska Hospital Stockholm

Quelle: Spiewak R, Johansson SGO, Wüthrich B. Berufsbedingtes Asthma auf Fledermäuse (Chiropteren). Allergologie 1996; 19 (11): 509-511.

 

Zusammenfassung: Es wird ein 31-jähriger Patient mit atopischer Konstitution beschrieben, bei dem infolge beruflicher Exposition mit Fledermäusen zur Asthmaentwicklung kam. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen (Hauttests und RAST mit Fledermausallergenen) konnte eine IgE-abhängige Reaktion bestätigt werden. Da der Patient, als engagierter Wissenschaftler, auf die Kontakte mit Chiropteren nicht verzichten wollte, wurde eine Desensibilisierunstherapie mit Fledermaus-Allergenextrakt unternommen. Nach einem Behandlungsjahr verspürte der Patient bei erneuten Chiropteren-Kontakten keine Beschwerden mehr.

Schlüsselwörter: allergisches Asthma, berufsbedingte Atemwegskrankheiten, berufliche Exposition, Speleologie, Wildtiere, Fledermäuse, Chiropteren, IgE, Rush-Desensibilisierung.

Abstract
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Einleitung

Es ist nur wenig über die möglichen Gefahren der Speleologie bekannt. Im Allgemeinen, auch unter Berücksichtigung von Traumen, wird Speleologie als eine gesunde Beschäftigung angenommen [5]. Nur wenige gesundheitliche Probleme werden im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in den Höhlen verbunden. Es wurde das Auftreten von mildem pleuritischen Schmerz, leichter Atemnot und trockenem Husten, als sogennante "cave dust pneumonitis" beschrieben, die jedoch keine schwerwiegenden Folgen haben soll [5]. Fledermäuse (Chiropteren), die in vielen Höhlen in großen Kolonien auftreten, können unter anderem eine Rolle in der Rabies-Epidemiologie spielen [3]. Es wird geschätzt, daß in Jahren 1960 - 1979 in den USA insgesamt 11 Rabies-Fälle auf Kontakt mit Raubtieren oder Fledermäusen als möglichen Überträgern zurückzuführen waren [1]. Außerdem wurde eine Mononukleose-Übertragung von Fledermäusen auf Menschen während der Höhlen-Besuche beschrieben [6]. In diesem Artikel berichten wir über ein allergisches Asthma auf Fledermaus-Allergene bei einem jungen Wissenschaftler, der wegen seiner Forschung regulären Kontakt mit Chiropteren hatte.

Fallbeschreibung

P.Z., 31 Jahre alt, männlich. Seit der Kindheit allergische Rhinitis. Familienanamnese: Vater und Bruder des Patienten leiden an Heuschnupfen. Jetziges Leiden: Der Patient wurde wegen Verdacht auf ein Asthma bronchiale in die Allergie-Station eingewiesen. Erste Asthma-Symptome traten bereits ca. 1 Jahr zuvor auf. In dem Fall kam es mehrmals zu starken Asthma-Anfällen nach Rotweinkonsum. Außerdem fiel dem Patienten auf, daß es bei den Kontakten mit Fledermäusen regelmäßig zu den Asthma-Anfällen kam. Der Patient führte beruflich eine Forschung über die Fledermäuse (Chiropteren). Seit 3 Jahren hatte er praktisch permanent Fledermäuse in einem kleinen Käfig zu Hause gehalten, außerdem züchtete er als Chiropteren-Nahrung Mehlwurmlarven (Tenebrio molitor) in einer offenen Schale zu Hause. Die staubförmigen Abfallprodukte von diesen Larven hatten schon früher bei dem Patienten zu rhinitischen Beschwerden geführt, deshalb verzichtete er auf die Tierhaltung zu Hause. Seither wurde der Zusammenhang zwischen Besuchen in Chiropteren bewohnten Höhlen und Asthmaanfällen mehr sichtbar. Die übrige Anamnese ergab keine Besonderheiten.

Routine-Laboruntersuchungen

Leukozyten 67.000/ml. Differentialblutbild: Eosinophile 9,5%. Gesamt-Serum-IgE: 315 E/ml (Normwerte bis 220 E/ml). Der bei der Annahme durchgeführte Lungenfunktionstest ergab keine Abweichung von der Norm, ein späterer Test zeigte spastisch-obstruktive Veränderungen mit Normalisierung nach Ventolin-Inhalation.

Allergologische Abklärung

Die Pricktests (Stallergenes-Extrakte) fielen positiv mit folgenden Allergenen aus: Hasel (+), Erle (+), Eiche (+), Warzenbirke (+), Gräsermischung (+++), Lolch (++), Lieschgras (++++), Saatroggen (+++), Wolliges Honiggras (++) und Beifuß (+) sowie Eigenstaub von Matratze und Bettzeug (+). Die Intrakutantests ergaben Sensibilisierung auf folgende Allergene: Hausstaub (+), Hausstaubmilben (+), Pyrethrum (+), Federn (+), Katzenhaar (+), Ephestia (+), Getreidebrand-Mischung (+) und Candida albicans (+). Die festgestellten Konzentrationen von spezifischen IgE blieben für Hausstaub, Hausstaubmilben, Küchenschabe, Wellensittichfedern, Wellensittichkot, Katzenepithel, Katzenhaar, Hundeepithel im Bereich von RAST-Klasse 0; für Erlenpollen in RAST-Klasse 1. Die gezielten allergologischen Hauttests wurden mit dem von Patienten gesammelten Fledermausstaub und Fledermaushaaren durchgeführt. Außerdem wurde spezifisches IgE auf Fledermausstaub mittels RAST bestimmt.

Antigen-Vorbereitung

Nach der Entfettung mit Toluol und Austrocknung wurde der Fledermausstaub mit Coca-Lösung 48 Stunden extrahiert. Nach Abpressen und Zentrifugieren wurde der Extrakt mit einem Rotationsverdämpfer auf 10% des Ausgangsvolumens eingeengt und 3 Tage lang dialysiert. Nach Gefriertrocknung des Dialysates wurde 40 mg der Trockensubstanz mit Evans-Gebrauchslösung aufgelöst. Nach Sterilfilration durch ein Milliporenfilter wurde die Sterilität der Lösung nachgeprüft indem je 2 Kulturen für aerobe und anaerobe Bakterien für 5 Tage aufgelegt wurden. Die i.c.-Schwellebestimmung erfolgte mit folgenden Konzentrationen der Antigen-Lösung: 1:100 Millionen, 1:10 Millionen, 1:1 Million, 1:100.000, 1:10.000. Die spezifischen IgE-Antikörpern auf Fledermaus wurden im Serum mittels Phadebas-RAST festgestellt. Der entsprechende Antigen-Disk wurde nach Ceska und Mitarbeiter [2] vorbereitet.

Ergebnisse

Scratch-Test (Abb. 1) mit Fledermausstaub (+++), modifizierter Prick-Test mit Fledermausstaub (++), Scratch mit Fledermaushaaren (+/-). I.c.-Schwellenwert mit löslichen Fledermausantigenen 1:10 Millionen (++), 1:100 Millionen (+). Spezifisches IgE im Serum: RAST Klasse 3.

Verlauf

Aufgrund der eindeutigen Anamnese und Testsergebnisse wurde ein allergisches Bronchialasthma infolge beruflicher Exposition auf Chiropteren-Antigene diagnostiziert. Da für den Patienten, einen engagierten Chiropteren-Forscher, der Berufswechsel gar nicht in Frage kam, wurde ihm eine Desensibilisierungsbehandlung mit Fledermausallergenen vorgeschlagen. Die Rush-Einführungsphase der Desensibilisierung wurde stationär, beginnend mit einer Antigen-Konzentration 1:10 Millionen, 0,2 ml subcutan, nach allgemeinen Richtlinien durchgefürht [8]. Die Erhaltunsdosen in Konzentration von 1:1000 wurden am Anfang wöchentlich, nachher in 2-wöchigen Abständen über 1 Jahr verabreicht. Nach 6 Monaten Therapie merkte der Patient eine Milderung der Symptome bei erneuten Fledermauskontakten, so daß er sogar auf prophylaktische Medikation vor erneuten Kontakten verzichtet hatte. Nach 12 Monaten Desensibilisierung wurde der Patient beschwerdefrei. Die nach zwei Jahren durchgeführte Nachkontrolle hatte bestätigt, daß der Patient keine Probleme mehr bei wiederholten Fledermausstaub-Expositionen hatte. Der i.c.-Schwellenwert mit Fledermausstaubextrakt war positiv (++) bei der Konzentration 1:100 Millionen, spezifisches IgE blieb im Bereich von RAST-Klasse 3. Asthma-Anfälle traten sporadisch nach Rotwein-Konsum und Kontakten mit Katzen auf.

Diskussion

Die in Europa auftretenden Fledermäuse (Chiropteren) umfassen 3 Familien mit insgesamt 31 Spezies. Die typischen Vertretern sind in unseren geographischen Breiten Miniopterus schreibersi und Myotiz myotiz (Abb. 2). Alle europäischen Fledermäuse ernähren sich von Insekten [9]. Fledermäuse sind die einzigen fliegenden Saugtieren, und ihre Epidermis und Hautanhangsstrukturen unterscheiden sich von diesen der anderen Saugtiere nicht [7]. Die nur leichte Hautreaktion auf Fledermaushaare bei starker Reaktion auf Fledermausstaub (Abb. 1) weist darauf hin, daß es sich bei Letzterem wahrscheinlich auch um andere Fledermaus-Allergene handelte. Die anderen möglichen Allergene können hier Fledermausexkremente sein. Nur eine Mitteilung hat sich bisher mit allergischen Reaktionen auf Fledermäusen befaßt [4], wobei sich gerade um eine Sofort-Typ-Reaktion auf Exkrementenstaub von Fledermäusen, die unter Dächern von sudanesischen Häusern leben, handelte. Die Autoren haben bei 6 Patienten mit asthmatischen Beschwerden positive Hautreaktion sowie spezifisches IgE gegen Extrakte aus ganzen Fledermäusen (sogenannte sudanesische schwarze und gelbe Fledermäuse) festgestellt. Bei dem von uns beschriebenen Patienten konnte auch eine IgE-vermittelte Reaktion mittels Hauttests und RAST auf Staub von Fledermäusen bestätigt werden. Unseres Wissen ist dies die Erstbeschreibung einer allergischen Reaktion auf die in Europa auftretenden Fledermäuse sowie auch einer mit Chiropteren-Allergenen durchgeführten Desensibilisierunstherapie.

Zusammenfassung

Bei Patienten, bei denen sich nach Höhlen-Besuchen Atembeschwerden entwickeln, sollte außer den infektiösen Krankheiten und der sogenannten "cave dust pneumonitis" auch ein allergisches Asthma auf Fledermaus-Allergene in Betracht gezogen werden.

Abb. 1. Scratch-Testergebnisse mit Fledermaushaar und Fledermausstaub.

Eine leichte Hautreaktion auf Fledermaushaare und eine starke Reaktion auf Fledermausstaub.

Abb. 2. Mausohrfledermaus (Myotiz myotiz).

Ein Paar von Mausohrfledermäusen.

Literatur

  1. Anderson L.J., K.G. Nicholson, R.V. Tauxe, W.G. Winkler: Human rabies in the United States, 1960 to 1979: epidemiology, diagnosis, and prevention. Ann. Intern. Med. 100, 728-735 (1984).
  2. Ceska M., R. Eriksson, J.M. Varga: Radioimmunosorbent assay of allergens. J. Allergy Clin. Immunol. 49, 1-9 (1972).
  3. Constantine D.G.: Bats in relation to the health, welfare, and economy of man. In: Wimsatt W.A. (Hrsg): Biology of Bats. Academic Press, New York and London 1970, 320-467.
  4. el-Ansary E.H., R.D. Tee, D.J. Gordon, A.J. Taylor: Respiratory allergy to inhaled bat guano. Lancet 1, 316-318 (1987).
  5. Halliday W.R.: Medical hazards to cave explorers. Gen. Pract. 18, 80-83 (1958).
  6. Lottenberg R., R.H. Waldman, L. Ajello, G.L. Hoff, W. Bigler, S.R. Zellner: Pulmonary histoplasmosis associated with exploration of a bat cave. Am. J. Epidemiol. 110, 156-161 (1979).
  7. Quay W.B.: Integument and derivatives. In: Wimsatt W.A. (Hrsg): Biology of Bats. Academic Press, New York and London 1970, 2-57.
  8. Wüthrich B.: Testergebnisse und Desensibilisierungsresultate bei den allergisch bedingten Bäckerkrankheiten. Schweiz. Rundschau Med. (PRAXIS) 57, 1294-1303 (1968).
  9. Ziswiler V.: Wirbeltiere. Band II: Amniota. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1976.

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